Nordstadtliga Dortmund - Interkulturelle Straßenfussballliga - Presse |
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Sozialprojekt : Straßenfußball als Mutmacher für Nordstadt-Kinder
Dortmund, 03.08.2010, Matthias Korfmann
Multikultureller Straßenfußball: Hier eine Szene aus dem Finale des WM-Supercups der Nordstadtliga. Fotos: Helmuth Vossgraff/WAZ FotoPool
Dortmund. Wenn es stimmt, dass die Wahrheit auf’m Platz liegt, dann liegt auf diesem Platz die ungeschminkte Wahrheit: Klein ist das Feld, staubig wie ‘ne Wüste und für jeden Ball der Härtefall. Der Sportplatz Burgholzstraße ist das Gegenteil von gepflegtem Rasen. Hier mögen sie es bodenständig; hier spielen Straßenfußballer; hier kickt die Nordstadtliga.
Sie heißen „Borsigplayer”. „Italy Gangster” oder „145 Nordstadt”. 145, das sind die letzten drei Ziffern der örtlichen Postleitzahl. 145 gilt in Dortmund nicht gerade als feine Adresse. Nordstadt halt. Im Süden wohnen die mit dem gepflegten Rasen. „Die Nordstadt ist ein Schmelztiegel”, sagt Mohammed El Yakoubi, einer der Organisatoren der Straßenfußball-Liga. Er meint das durchaus freundlich. „So bunt ist es nirgendwo sonst in Dortmund.”
Die "Borsigplayer" mit ihren Pokalen. Foto: WAZ
Die „Borsigplayer” sind auch so eine bunte Truppe. Sie heißen Talip, Oktay, Abdul, Mouhamed, Mervan, Ahmet und Bastian. Bastian fällt ein bisschen auf mit seinen blonden Haaren, aber es geht ja hier nicht um Frisuren, sondern um Fußball. „Bei uns spielen Türken und Kurden und Deutsche zusammen. Der Bastian gehört dazu, er ist für die anderen wie ein Bruder”, erklärt Zeineb. Die 23-Jährige trainiert die „Borsigplayer”. Früher hat Zeineb im Jugendtreff „Keck” Hip-Hop- und Bauchtanz-Kurse organisiert. Heute lässt sie Jungs und Mädchen auf dem Aschenplatz tanzen.
Auf die Nordstadt lässt Zeineb nichts kommen. „Mal geht’s bergauf, dann wieder bergab, aber eines ist klar: Hier bist du nie alleine. Wenn dir einer was will, dann findest du immer einen, der dir hilft. Im Süden kannst du darauf lange warten”, meint sie.
1.1.1.1 Fußball bringt
Ordnung ins Leben
„Ghetto” ist das erste Wort, das ihrem Stürmer Talip zur Nordstadt einfällt. Der 12-Jährige sagt, dass es hier wichtig sei, zu einer Gruppe zu gehören, dass es aber gar nicht leicht sei, in eine reinzukommen. Seine Kumpel sind die „Borsigplayer”, und das ist keine schlechte Wahl. Denn Talip, Oktay und die anderen berichten von Gruppen im Stadtteil, die mit Sport nichts am Hut haben. Von Typen, die rauchen und überhaupt „viel Scheiße bauen”.
"Borsigplayer" Oktay mit seinem Pokal. Foto: WAZ FotoPool
„Keine Drogen, kein Bier”, das ist einer der Grundsätze in der Nordstadtliga. Der Fußball bringt Ordnung ins Leben der 10- bis 18-Jährigen. „Auf dem Platz gibt’s wenig Streit und böse Worte”, weiß Erwin Fischer, der die Dortmunder Straßenfußball-Liga vor neun Jahren aufbaute und bis heute betreut. „Die Kinder”, sagt Fischer, „rufen geradezu nach Struktur und Disziplin. Außerdem sprechen in dieser Liga alle deutsch: die Türken, Kurden, Vietnamesen, Afrikaner.”
Straßenfußball ist offenbar nichts für Weicheier. Die „Borsigplayer” kicken unter erschwerten Bedingungen: Es ist so heiß, dass die Zuschauer schon im Schatten leiden. Zwei mal 25 Minuten dauert die Begegnung mit der Gästemannschaft aus Bochum. Keiner schreit nach einem Schluck aus der Pulle, die Sieben vom Borsigplatz ziehen ihr Spiel durch. Oktay wird gefoult, rutscht über die rote Asche, klopft sich die Beine sauber und rennt weiter.
1.1.1.2 Probleme lösen sie
durch Händeschütteln
„80 Prozent der Spieler halten die Regeln ein”. versichert Erwin Fischer. Im sogenannten Liga-Rat entscheiden die Jugendlichen selbst, wie schlechtes Verhalten sanktioniert wird. Fischer: „Ich erinnere mich an eine Ligarats-Sitzung mit 80 Zuschauern. Es ging um eine Schubserei auf dem Platz, und die Jungs haben diese Sitzung moderiert, zwei Stunden lang. Am Ende hat man sich die Hände gegeben, und die Sache war erledigt. Wenn du das siehst, bist du stolz auf diese Spieler.”
Für die Nordstadtliga zählt jeder Cent. 1,25 Euro stehen pro Spieler und Monat zur Verfügung, zwischen 8000 und 10 000 Euro liegt der Jahresetat. Zuweilen träumen die Dortmunder von Münchner Verhältnissen. „Bunt kickt gut” heißt das bayrische Pendant zur Nordstadtliga. Rund 500 000 Euro hat das dortige Straßenfußball-Projekt pro Spielzeit in der Schatulle, weil neben der Kommune auch lokale Unternehmen die jungen Fußballer sponsern. „Wir in Dortmund haben eigentlich null Planungssicherheit”, gibt Mohammed El Yakoubi zu.
Andererseits: Geld schießt bekanntlich keine Tore, und die Wahrheit liegt auf’m Platz: Mit 16:1 schicken die „Borsigplayer” ihre Gäste im „WM-Supercup-Finale” zurück nach Bochum. Zwei Pokale gibt’s dafür, einen für den Sieg und einen für die Fairness.
06.06.2009 | Kick4Friends - Benefiz-Soccer-Turnier
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Am vergangenen Samstag, 6. Juni 2009 fand das erste Benefiz-Soccer-Turnier der Wirtschaftsjunioren bei der IHK zu Dortmund e.V. (WJ) in der Soccerworld Dortmund statt. Unter dem Motto „Kick4Friends“ spielten dabei sechs ambitionierte Hobby-Teams einen Sieger aus.
Im Vordergrund stand bei der Veranstaltung neben dem gemeinsamen Spaß der gute Zweck. So ging die Startgebühr der einzelnen Teams und weitere Einnahmen in Höhe von 1.100 Euro als Spende an das Dortmunder Projekt „Nordstadtliga“. Den Scheck übergaben für die WJ Projektleiter Ioannis Tsouloukidis (erste Reihe, 1.v.l.) und Alex Rupprecht, Leiter Ressort
Soziales (erste Reihe, 2.v.l.) an Ulrich Bösebeck, Leiter des Jugendamtes Dortmund (erste Reihe, 3.v.l.).
Sieger des Turniers war das Team der Firma Vreriksen Foodservice, die in einem spannenden Finale gegen Dicke & Partner mit 6:4 der Oberhand behielten. Torschützenkönig des Turniers wurde Dorian Smozna vom Siegerteam Vreriksen.
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16.10.2006
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Dortmunder Nordstadtliga freut sich über neue Trainingsbälle
Über 22 neue Trainingsbälle freuen sich die Kids von der multikulturellen Nordstadtliga in Dortmund. Gemeinsam mit Sozialarbeiter Erwin Fischer nahmen die jungen Kicker die Fußbälle vom Dortmunder ASB-Mitarbeiter Oliver Buff entgegen.
Die Bälle hatte der ASB Landesverband NRW zur Fußball WM 2006 von der Firma Pro Touch zur Verfügung gestellt bekommen. Nach Abschluss der Weltmeisterschaft wurde nun ein geeignetes Projekt gesucht, um die Bälle weiterzugeben. Auf die Dortmunder Nordstadtkicker wurde der ASB-Landesverband NRW durch Oliver Buff und Holger Steffens (medienbüro dortmund) aufmerksam. Für Dr. Stefan Sandbrink, Geschäftsführer des ASB-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, war schnell klar: „Genau solch ein Projekt haben wir gesucht. Hier sind die Fußbälle in guten Händen.“
Auch Erwin Fischer vom Jugendamt freut sich über die Spende: „Hier spielen bis zu 500 Kinder aus vielen Nationen miteinander Fußball, da können wir jeden Ball gebrauchen." |
500 Teilnehmer, 45 Teams, 124 verschiedene Dialekte
Am Sonntag ging im Norden Dortmunds richtig die Post ab. Es hatte weder etwas mit Drogen noch mit Gewalt zu tun, sondern der Ball machte es möglich: im Finale der Nordstadtliga.
Große Pokale für große Erfolge - dabei steht in der Nordstadtliga der sportliche Erfolg an zweiter Stelle auch. . .
Den Anstoß zum Finale machten die Dortmunder U-12-Junioren des SC Dortmund, die gegen die "Young Stars Eving" haushoch mit 15:4 gewannen. Den Fairness-Pokal in dieser Altersklasse erhielt der FC. Eber, der mit Pünktlichkeit und sozialem Verhalten glänzte. Ein knappes Spiel lieferten sich hingegen die U-14-Mannschaften "Bad Boys" und "Street Styler". Hierbei behielten die "Street Styler" die Nerven und gewannen mit 6:5. Als nächstes stand das Spiel der U16 an, hierbei traf der FC Schüblock auf "Joga Bonito". Den 8:3-Sieg verdankte der FC Schüblock den vier Toren von Spieler Ömer Akman. Trotz Diskussionen mit dem Schiedsrichter wegen des verlorenen Spieles, erhielt "Joga Bonito" den Fairness-Pokal dieser Alterskategorie. Das letzte Spiel bestritten die ältesten Mannschaften, nämlich die U-18-Junioren "El Gaucho" gegen "Kick it like Drogba".
Die Kombination von Schnelligkeit und Geschicklichkeit führten die Spieler des "Kick it like Drogba"-Teams zum 10:4-Sieg. Schiedsrichter an diesem Nachmittag war Mehmet Pak.
Die Nordstadtliga im Dortmunder Norden ist eines von vielen Projekten, die die Stadt für Jugendliche ins Leben gerufen hat. Erwin Fischer, Projektleiter der Nordstadtliga, bezeichnet sie als Freizeitbeschäftigung in der Nordstadt. 45 Teams, 500 Teilnehmer, 124 verschiedene Dialekte, 402 Spiele, 8040 faire Gesten und 24 120 Minuten ohne Fernseher oder Computer.
Das Projekt entstand 2001, als man mit neun Teams anfing. Im Jahre 2007 hatte die Fußballliga im Norden Dortmunds ein Budget von 7000 Euro. Normalerweise hat die Liga eines von 12 000 bis 13 000 Euro, das macht für jedes Kind einen Betrag im Jahr von 15 Euro.
Hier soll auf lange Zeit in Dortmund mehr Kindern etwas geboten werden. So passt auch das Motto: "Fußball macht Freu(n)de". Für die Verantwortlichen der Liga sind vier Begriffe wichtig: Fairness, Toleranz, Gewaltfreiheit und Partizipation. In der Freizeitliga sind fast alle Nationalitäten vertreten. "In unserer Liga soll auf jeden Fall Deutsch gesprochen werden, denn nur Deutsch ist die Sprache, mit der alle miteinander kommunizieren können. Keines der ausländischen Kinder kann ohne gute Deutschkenntnisse in Deutschland leben oder einen Job bekommen", sagt Erwin Fischer.
Bei einer roten Karte entscheidet der Ligarat über die Strafe. Der Ligarat setzt sich aus sieben unterschiedlich alten Jugendlichen zusammen. Diese Jugendlichen setzen sich jede Woche zusammen und entscheiden über Strafen, diskutieren über gute und auch schlechte Sachen, die an den Spieltagen vorfielen. Seit 2002 gibt es den Ligarat, er wird jedes Jahr neu gewählt. Hier sollen Jugendliche über "ihre" Liga, über Regeln und Strafen entscheiden.
Die Nordstadtliga, ein Projekt, das Jugendlichen in Dortmund eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung bieten will. Bisher ist das Konzept der Nordstadtliga aufgegangen, da viele Jugendliche regelmäßig zum Kicken kommen. Aber was ist, wenn die Stadt Dortmund plötzlich sagt, dass dieses Projekt zu teuer wird und von der Stadt keine finanzielle Unterstützung mehr geboten wird? Was wird aus den vielen Jugendlichen, die endlich eine geeignete Gestaltung für ihre Freizeit gefunden haben? Würden diese Kinder wieder gelangweilt in den Straßen abhängen? All diese Fragen müsste man den Verantwortlichen wirklich stellen, falls das gut laufende Projekt Nordstadtliga eines Tages wegfallen würde.
Enes-Can Kilic, Sondra Totzki, Patricia Szymaniak, Marie-Kristin Anschicks, Raphael Pekowski, Philipp Murawski, Marvin Oldach, Sarah Vette, Alexander von Domarus, Patrizia Szymaniak , Melina Eckert, Katja Schanz, Lisa Sophie Lippe Klasse 10 d Droste-Hülshoff-Realschule
Kick der Kulturen |
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Vom Ascheplatz ins Stadion? Vielleicht wird der Traum wahr.
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Oray ist nur schwer zu beruhigen. Er will es einfach nicht verstehen, will es nicht einsehen, dass er für fünf Minuten wegen einer Beleidigung vom Platz muss. Warum er? Er sei doch schließlich provoziert worden. Für den jungen Türken mit der rotgefärbten Irokesen-Frisur ist die Entscheidung von Schiedsrichter Gani Varoglu nicht nachzuvollziehen.
Vielen der Zuschauer geht es ähnlich. Sie sehen nur den Zorn, die Rudelbildung auf dem Ascheplatz, der Grund für diese Aufregung bleibt ihnen verborgen. "Er muss irgendwas auf Türkisch gesagt haben", vermutet eine Zuschauerin am Spielfeldrand. "Aber dafür haben wir ja den Gani, der versteht die Jungs." Gani Varoglu ist Türke und erfahren im Umgang mit den Jugendlichen der Nordstadtliga (kurz NSL), einer interkulturellen Straßenfußballliga in Dortmund-Eving.
Man kennt sich
Vor fünf Jahren haben Sozialpädagogen der Jugendfreizeitstätten, Mitarbeiter des Jugendamtes und Streetworker das Projekt NSL ins Leben gerufen. "Ich kenne fast alle von klein an. Sie sind hier aufgewachsen", sagt Gani Varoglu, "ich weiß, wie ich mit denen umgehen muss." Die Jungs und Mädchen aus über 35 Nationen respektieren den Unparteiischen. Schließlich ist der ehemalige Bezirksliga-Schiedsrichter irgendwie einer von ihnen, ein Migrant unter vielen Tausenden, die im Dortmunder Norden wohnen.
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Graffiti statt Tribünen am Ascheplatz.
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Kicken statt Klauen
Die rund 540 Jugendlichen der NSL spielen gerne auf dem roten Ascheplatz am Jugendtreffpunkt "Konkret" Fußball. Das Projekt Nordstadtliga bietet ihnen Raum und passende Rahmenbedingungen für ihr liebstes Hobby. "Wir wollten den Jugendlichen etwas bieten, so dass sie nicht auf dumme Gedanken kommen", berichtet Arnd Winkel von der Idee der interkulturellen Straßenfußballliga. An Videospielautomaten in Kaufhäusern abhängen, klauen, Drogen nehmen oder dealen - dumm ist vor allem, was nicht rechtens ist. Der 35-jährige angehende Diplom-Sozialpädagoge gehört zum Gründungsteam, geht seit fünf Jahren mehrmals die Woche zum Jugendtreff, um als neutraler Spielbeobachter die Aufsicht zu führen. Die Nordstadtliga hat der Mitarbeiter des Dietrich-Keuning-Hauses sogar als Thema für seine Diplomarbeit ausgewählt. Stoff genug bietet das Projekt.
Jugendliche üben Regeln und erfahren Grenzen
Auch Sozialpädagogin Frauke Wichert beobachtet die Spiele der NSL fast täglich. Seit vier Jahren arbeitet sie an der Hauptschule am Landwehr, drei Mannschaften stellt ihre Schule in der NSL: die Power-Teens, die Power-Girls und FC Interkara, den Klub von Oray. Einige der Kids sieht sie häufiger auf dem Fußballplatz als in der Schule. "Leider", sagt sie, "doch nur durch meine Anwesenheit und dadurch, dass ich sie respektiere, kann ich Zugang zu ihnen bekommen." Oft, so vermutet sie, sind private Probleme die Ursache für das Schuleschwänzen. Doch die Jungs blocken an diesem Punkt ab, verschließen sich oder ziehen gutgemeinte Nachfragen ins Lächerliche. Tiefes Vertrauen sieht anders aus. Dennoch: Fast jeden Tag nach der Arbeit steht Frauke Wichert am Spielfeldrand. "So gebe ich den Schülern eine gewisse Sicherheit, außerdem mag ich Fußball einfach gerne." Eine Leidenschaft, die sie mit den Jugendlichen teilt, und die ihr Akzeptanz, ja Respekt einbringt. Die Nordstadtliga hält sie für ein gelungenes Projekt: "Es bringt die Jugendlichen zusammen. Durch das Einüben von Regeln, Grenzen und Benimm erweitern sie ihre soziale Kompetenz. Sie lernen auch zu verlieren, ohne gleich auszurasten."
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Nordstadtliga - darauf sind die Jugendlichen stolz.
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Mit neun Mannschaften ging's vor fünf Jahren los. Inzwischen spielen 54 Teams in der Nordstadtliga. U12, U15 und U18 - in drei Altersklassen wird jeweils ein Meister gesucht. Die Saison dauert das komplette Kalenderjahr, im Winter gibt's zusätzlich eine Hallenrunde. "Anfangs hatten wir gar nicht diesen Wettbewerbscharakter", blickt Roger Porath zurück. Der 38-Jährige Sozialpädagoge ist Mitbegründer der NSL. "Der Erfolgsgedanke kam von den Jugendlichen ganz alleine." "Sie wollten einfach immer spielen, spielen, spielen", ergänzt Arnd Winkel. Mohamed Bouali (14) ist von Beginn an dabei. Der junge Marokkaner wird vom Organisationskomitee geschätzt. Er ist zuverlässig, pünktlich, vermittelt oft zwischen neuen und "alten" Nordstadtliga-Kickern. Das Ziel der NSL hat Mohamed erkannt und verinnerlicht: "Das hält uns von der Straße fern. So haben wir immer etwas zu tun, anstatt rumzuhängen."
Eigeninitiative ist gefragt
Überhaupt nehmen die Jugendlichen immer mehr selbst in die Hand. Gani Varoglu etwa bietet Schiedsrichter-Schulungen an. Zur Belohnung winkt den Schiris eine Dauerkarte für den BVB, bezahlt aus städtischen Mitteln. Und im Ligarat entscheiden die Jungs autonom und demokratisch über Spielerwechsel und Strafen für rote Karten. Alle 14 Tage trifft sich der Ligarat, neun Spieler aus teilnehmenden Teams stellen ihn. "Der Ligarat wurde gegründet, um die Identifikation und Partizipation zu erhöhen und somit ein besseres Bewusstsein für die Probleme der Liga zu schaffen", erklärt Erwin Fischer vom Jugendamt, Dritter im Bunde der NSL-Gründer. Mit seinen blonden Stehhaaren sieht er aus wie Campino, Sänger der Punkrocker Toten Hosen. Vielleicht ein Vorteil im Umgang mit den Jugendlichen. Auch im Ligarat: Dort hätten die Betreuer nur eine moderierende Funktion. "Meistens klappt auch so alles reibungslos", sagt Arnd Winkel. Belehren wollen sie die Kids nicht. Oft hätte das genau den gegenteiligen Effekt. Als Anreiz für sportliche Ehrlichkeit werden am Ende der Saison gut 30 Pokale vergeben, einer davon auch für den fairsten Spieler. Reibereien verbaler Art seien aber nie ganz auszuschließen. "Die meisten sind Halbstarke. Große Klappe und nichts dahinter", so Arnd Winkel. Das sei wie mit Hunden: "Die, die bellen, beißen nicht."
Fußball hilft bei Völkerverständigung
Auf dem Fußballfeld neben dem Graffiti-besprühten Jugendzentrum einerseits und einer viel befahrenen Hauptsraße andererseits herrscht dagegen "eine gesunde Rivalität". Dort findet Völkerverständigung in Perfektion statt. Türken kicken mit Kurden und Kroaten mit Serben in einem Team, Feindseligkeiten werden in der Kabine gelassen. Erfolg schweißt zusammen, Niederlagen kann man gemeinsam besser verarbeiten.
Die Kinder und Jugendlichen sollen eben nicht in einer Parallelgesellschaft aufwachsen, Toleranz führt über Akzeptanz und Freundschaft beginnt oft mit gemeinsamen Interessen. So ganz wird der Nationalstolz dann aber doch nicht unter den Teppich gekehrt. Einige Mannschaften tragen ihre Herkunft demonstrativ nach außen. Unschwer zu erraten etwa, Spieler welcher Nationalität beim FC Libanon kicken.
Vielversprechende Talente
Die NSL bestimmt den Tagesablauf vieler Jugendlicher. "In der Schule reden die manchmal über nichts anderes mehr", sagt Frauke Wichert. Ümit Isik (13) spielt sowohl beim Nordstadt-U15-Meister "Bad Boys Serhat II" als auch in der U14 von Borussia Dortmund: "Ich gehe zur Schule, dann zum Training, dann nach Hause. Und am nächsten Tag wieder so." Sein Verein, der BVB, hat nichts einzuwenden gegen sein Engagement in der NSL: "Die sagen nur, ich soll mich nicht verletzen." Überhaupt tummeln sich so einige Talente auf dem Fußballplatz an der Burgholzstraße. Von den großen Vereinen hat das aber bis dato kaum einer zur Kenntnis genommen. Dennoch: Auf der großen Fußballbühne auflaufen, das ist der Traum von fast allen. Die Frage nach ihren Idolen erübrigt sich, ein Blick auf die Trikots reicht. Zig Ronaldos, Ronaldinhos oder Ballacks rennen, grätschen und schießen auf dem Feld. Das ein oder andere türkische Nationaltrikot mischt sich unter die Farbenvielfalt. "Unsere Erwartungen sind jedenfalls weit übertroffen worden", resümiert Arnd Winkel. Mit so vielen Jugendlichen, denen sie eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, ja eine Perspektive geben konnten, hatten die Verantwortlichen nie gerechnet.
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... und das sind nur die Finalteilnehmer.
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Inzwischen ist es dunkel geworden auf dem Ascheplatz in Eving. Ohne Flutlicht würde keiner der Spieler auch nur annährend das Tor finden. Die Jungs von FC Interkara verlassen mit hängenden Köpfen das Spielfeld. Soeben hat Gani Varoglu das Halbfinale der U15 abgepfiffen. Die Favoriten Bad Boys Serhat II haben sich mit 19:6 durchgesetzt. Oray konnte seiner Mannschaft nicht mehr helfen. Doch er trägt es mit Fassung. Er hat seine Lektion gelernt
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Bericht Reviersport über Nordstadtliga
Ein Fußballprojekt der Superlative in Dortmund
Die Nordstadtliga
Die Renaissance des Straßenfußballs oder Bierkonsum für mehr Bolzplätze für Deutschland. Was eine große deutsche Brauerei mit großem Werberummel im Vorfeld der WM 2006 als Marketinginstrument einsetzt, ist in der Dortmunder Nordstadt seit fünf Jahren gelebte Realität.
Längst bevor die Retrowelle im Fußball die vielen in die Jahre gekommenen Mittelschichtsbürger erreichte und die Sehnsüchte nach längst vergangenen Tagen auf dem Bolzplatz mittels aufwendig inszenierter Werbekampagnen befriedigt, haben Erwin Fischer vom Dortmunder Jugendamt und seine Kollegen vom Dietrich Keuning Haus und der AWO -Streetwork mit geringsten finanziellen Mitteln den Straßenfußball in Deutschland neu belebt.
Einzigartig in Deutschland: Im mittlerweile fünften Jahr spielen 54 Teams aktiv in der Nordstadtliga und binden mehr als 600 Jugendliche kontinuierlich ein. Dabei sind die wichtigste Zielgruppe der Nordstadtliga ausländische und deutsche Kinder, Jugendliche und Heranwachsende zwischen 8 und 20 Jahren aus dem Stadtteil Nord in Dortmund. In der Saison 2005 sind unter den aktiven Jugendlichen ca. 35 Nationalitäten vertreten (Türkei, Indien, Jugoslawien, Deutschland, Spanien, England, Afrika, Pakistan, Polen, Bulgarien etc.).
Die Nordstadtliga (NSL) ist heute eine ganzjährig laufende multikulturelle Straßenfußballliga im Stadtteil Dortmund-Nord. Erwin Fischer vom Dortmunder Jugendamt: „Die NSL hat es sich zum Ziel gesetzt, jungen Menschen verschiedener kultureller und nationaler Herkunft, die häufig in schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen aufwachsen, mit der Straßenfußballliga eine sinnvolle und gesund Freizeitbeschäftigung zu geben und Möglichkeiten von sozialem und kulturellem Miteinander zu eröffnen.“
Die Idee zur Dortmunder Nordstadtliga entstand aus der Betreuungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen in Dortmunder Jugendfreizeitstätten. Die Initiatoren verfolgten dabei das Ziel zur Verbesserung des sozialen Klimas im Stadtteil Nord beizutragen. Und das mit Erfolg: Durch den Fußball kommen heute Kinder unterschiedlichster Nationalitäten miteinander in Kontakt und erfahren Anerkennung und soziale Akzeptanz. Grundidee: Das Projekt greift eine der aufregendsten Freizeitbeschäftigungen für Kinder und Jugendliche auf und macht sie zu einem organisierten und permanenten Angebot.
„Eine tolle Sache“ lobt auch BVB-Altinternationaler Aki Schmidt beim Besuch des Standes der Nordstadtliga auf der Dortmunder Jugendmesse am letzten Wochenende.
Die Initiatoren freuen sich über das Interesse, das die NSL mittlerweile von vielen Seiten erhält. Jüngstes Beispiel ist der BVB-Fanclub „International e.V“, der die NSL künftig ideell und materiell mit Sachspenden in Form von Bällen, Trikots oder Ticket für das Westfalenstadion unterstützen wird. „Man kann sich vorstellen, dass die in der NSL kickenden Jungs nicht unbedingt solche sind , die aus gutbehüteten Familien kommen - einige haben das Westfalenstadion noch nie von innen gesehen. Vieles fehlt. Trikots, Bälle oder Fußballschuhe. Hier werden wir helfen“ so Levent Aktoprak vom BVB-Fanclub „International e.V“
Gemessen am großen Erfolg der NSL ist das Budget mit ca. 7 500,00 Euro pro Jahr vergleichsweise gering. Gedeckt wurde dieser Mittelbedarf bislang hauptsächlich aus dem Ansatz für präventive Mittel der Stadt Dortmund sowie durch Geld- und Sachspenden von Sponsoren. Kooperationspartner der Nordstadtliga sind das Dietrich Keuning Haus, die AWO-Streetwork, und die Jugendfreizeitstätte Treff“ Konkret“
Info und Kontakt: www.nordstadtliga.de
Interview des REVIERSPORTS (RS) mit Erwin Fischer (EF) vom Jugendamt Dortmund:
RS: Wie kam es zur Gründung der Nordstadtliga?
EF: Die Idee zur Dortmunder Nordstadtliga entstand im Jahre 2001 aus der Betreuungsarbeit von Kindern und Jugendlichen in den Dortmunder Jugendfreizeitstätten, und aus der Gruppenarbeit mit Jugendlichen , die im Rahmen einer Erziehungsbeistandschaft des Jugendamtes betreut wurden.
Da die Begeisterung im ersten Jahr der NSl sehr groß und die Reaktion aus anderen Einrichtungen äußerst positiv war, reifte der Gedanke, eine solche Straßenfußballliga für den ganzen Nordstadtbereich zu organisieren.
RS: Die NSL gilt neben der Münchner Liga „Bunt kickt gut“ als größte in ganz Deutschland. Ist die Nachfrage seitens der Jugendlichen anhaltend gut?
EF: Während der letzten zwei Jahre expandierte das Projekt fortlaufend und zählte im Jahr 2004 mit 40 Teams und etwa 450 Jugendlichen aus über 35 verschiedenen Herkunftsländern zu eine der größten Straßenfußballligen Deutschlands. Im laufenden Jahr 2005 nehmen 53 Teams mit über 600 Jugendlichen am am laufenden Spielbetrieb teil.
RS: Worin unterscheidet sich die NSL von anderen Fußballprojekten im Revier?
EF: Der entscheidende konzeptionelle Unterschied zu vergleichbaren Veranstaltungen liegt in der Kontinuität der Liga, die im Gegensatz zu sporadischen Turnieren regelmäßige Kontakte zwischen Teams und eine kontinuierliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zulässt. Die NSL hat entscheidende Erfolgskriterien:
Erstens die Möglichkeit, sich mit einer überschaubaren Gruppe zu identifizieren. Zweitens die Wettbewerbsbedingungen, die dem Bedürfnis unter Jugendlichen, sich mit anderen zu messen, entgegenkommen. Drittens die Kontinuität, die regelmäßigen Kontakte schafft. Viertens die Begegnung zwischen Jugendlichen unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft fördert und Freundschaften wachsen lässt und nicht zuletzt die umfangreiche Kommunikation unter und zu den teilnehmenden Teams.
RS: Wie oft, wo und wann wird gespielt?
EF: Das Spieljahr ist eingeteilt in eine Sommersaison, von April bis November, und eine Hallenrunde, Dezember bis Februar. An vier Nachmittagen in der Woche finden auf der Sportanlage der Jugendfreizeitstätte Burgholzstraße ca. 420 Ligaspiele jährlich statt. Anstoßzeit ist generell um 16 :30 Uhr, das letzte Spiel endet um 20:30 Uhr.
Gespielt wird in sogenannten Kleinfeldteams ( 5 Feldspieler + 1 Torwart ), die Spielzeit beträgt in der U12 2 x 20 Min, alle anderen Altersklassen spielen 2 x 25 Min.
Es wird ohne Abseits gespielt, sonst aber gelten die „ normalen „ Fußballregeln“
Zur Zeit sind 53 Teams in vier Altersklassen beteiligt ( U12 / U15 / U18 / U21 ).
RS: Wie ist der Spiel-Modus?
EF: In allen Altersklassen wird bis zu den Sommerferien eine Vorrunde ausgetragen, wobei in jeder Altersklassen in mehreren Gruppen gespielt werden. Die zwei, bzw. drei besten jeder Gruppe qualifizieren sich für die Championsleague, die nach den Sommerferien ausgespielt wird. Die Sieger der Championsleague in den jeweiligen Altersgruppen stellen somit den Meister der jeweiligen Spielzeit. Die Teams, die den Sprung in die Championsleague verpasst haben, spielen in der sogenannten Premierleague ( 1. Liga ) auch weiterhin aktiv mit.
Neben den Pokalen für die Meistertitel werden aber auch Pokale und Preise vergeben für: die fairste Mannschaft, das beste sportliche Vorbild, die beste Teambetreuung und die Leistungen des Ligarates
RS: Gibt es einen institutionellen Rahmen oder ein Schiedsgericht?
EF: Der Ligarat ist eine ständige Institution in der Nordstadtliga. Er besteht aus Spielern von teilnehmenden Teams. Sie behandeln in regelmäßigen Sitzungen (alle 14 Tage) die auftretenden Probleme in der Liga und gewährleisten damit einen möglichst reibungslosen Ablauf des Ligabetriebs. Der Ligarat wurde gegründet, um die Identifikation und Partizipation zu erhöhen und somit ein besseres Bewusstsein für die Probleme der Liga zu schaffen. Das unabhängige Kontrollgremium schaltet sich ein, wenn bei Spieltagen es zu verbalen oder körperlichen Entgleisungen kommt, Spieler ihren Pflichten nicht nachgekommen sind oder ein Teamwechsel beantragt wurde.
RS: Was bedeutet die NSL für die beteiligten Kinder und Jugendlichen?
EF_ In der Nordstadtliga erfahren die Kinder und Jugendlichen Anerkennung ihrer Person, unabhängig von ihrer Lebenslage und ihrer kulturellen Herkunft. In die Spiel- und Wettbewerbskultur werden dabei vier zentrale Wertkategorien eingebaut: Fairness, Toleranz, Partizipation, Gewaltfreiheit. Diese Werte werden vermittelt durch positive Stimulanz und Anerkennung bei wertentsprechendem Handeln und Verhalten (Fairnesspokal) sowie durch Sanktionen (Platzverweis, Spielsperren), bei einem Verstoß gegen die Spielregeln. Die Nordstadtliga bietet daher den Kindern und Jugendlichen unabhängig von nationaler oder kultureller Herkunft ein sinnvolles, gesundes, kontinuierliches, für die Zielgruppe attraktives und aufregendes Angebot der Freizeitgestaltung als Alternative zum „Abhängen“ auf der Strasse.
RS: Ist eine weitere Ausweitung der NSL geplant?
Mit der Ausrichtung der Nordstadtliga auf das Ziel, einen kontinuierlichen und in der Öffentlichkeit präsenten Bestandteil im Freizeit- und Sportangebot des Stadtteils Nord zu etablieren, ist das Fundament für die dauerhafte Einrichtung und nachhaltige Entwicklung des Projektes in Dortmund-Nord gelegt. Geplant ist eine Öffnung der Nordstadtliga auf das gesamte Dortmunder Stadtgebiet. Hierfür stehen zur Zeit die personellen und finanziellen Ressourcen momentan nicht zur Verfügung, des weiteren müsste das Sponsoring deutlich erweitert werden.
RS: Ist dabei die Stadt Dortmund Euer erster Ansprechpartner?
EF: Die Nordstadtliga ist seit dem Beginn im Jahre 2001 ein Kooperationsprojekt von AWO Streetwork, Treff „Konkret“, Dietrich-Keuning-Haus und Jugendamt Dortmund. Mit dem Stadtjugendamt Dortmund ist das Projekt insofern verflochten, als dass städtische Kinder- und Jugendheime, die Schulsozialarbeit und Freizeiteinrichtungen in städtischer Trägerschaft das kontinuierliche Angebot der Straßenfußballliga nutzen. Des Weiteren wird das jährlich anfallende Budget für die Nordstadtliga überwiegend aus städtischen Mitteln finanziert. Öffentliche Institutionen und Einrichtungen freier Träger erhalten durch das von den Jugendlichen großartig angenommene Projekt Nordstadtliga ein weitreichendes Angebot, das sie in ihrer sozialen und pädagogischen Arbeit unterstützt
RS: Wie gut ist die Zusammenarbeit mit den Dortmunder Sportvereinen? :
EF: Viele Jugendliche, die in der Dortmunder Nordstadtliga aktiv beteiligt sind, sind auch in den einzelnen Dortmunder Fußballvereinen aktiv. Dadurch entstand zunächst eine ursprünglich nicht immer konfliktfreie Berührung. Inzwischen konnten einige Jugendabteilungen der Fußballclubs für Kooperationen gewonnen werden. Sie leiden oft an Nachwuchsmangel und profitieren von dem enormen Zuspruch der Nordstadtliga durch Neuzugänge. Viele Vereine sind sich der Bedeutung des Straßenfußballs bewusst und bieten Talenten die Chance zu einem Probetraining und lassen zumindest ihre ideelle Unterstützung erkennen.
RS: Stichwort FIFA WM 2006 in Deutschland. Ein Thema für die NSL?
EF: Die WM in Deutschland wirft natürlich ihre Schatten voraus und auch die Nordstadtliga ist aktiv beteiligt. In Kooperation mit der Münchner Straßenfußballliga wird es im nächsten Jahr eine WM für Straßenfußballer in München geben. Dieses von der EU und den jeweiligen kommunalen Organen mit erheblichem finanziellem Aufwand unterstützte Projekt ist das Highlight im kommenden Jahr für die Dortmunder Straßenfußballliga.
RS: Vielen Dank für das Interview
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